Ein Künstler, schaltet man den Fernseher ein oder hört Radio, ein Künstler stellt sich wie folgt dar:
Hat wirklich, wirklich seltsame Kleidung an, meist eine Mischung aus afrikanisch - indisch - orthodoxen Gewändern, die auf keinen Fall passen in Verbindung mit Gummistiefeln, oder schlichte, schwarze Trainingsanzüge und Zottelhaar.
Der weibliche Teil meist stark übergewichtig mit bunten Haaren Wallawalla Gewändern aus organischem Anbau (meist berichten sie wie schön und inspirierend der letzte keltische Fruchtbarkeitstanz war den sie nackig auf einer Wiese voller biologisch unbedenklicher Kaninchen vollführt haben).
Als wichtig und richtig gilt es auch das Publikum zu bespucken oder sich anderweitig komisch aufzuführen.
Der Homo Künstler befindet sich prinzipiell im "Prozess" oder ist "geistig in einem Projekt behaftet".
Bildhauer mit lupenreinen Händen, fehlsichtige Maler und Musiker mit disorientierten Stimmbändern sind auch dabei.
Aber das stimmt nicht.
Künstler sind hart arbeitende Unternehmer.
Die meisten von uns sind wie Hochleistungsathleten top ausgebildet, hoch motiviert und das über viele, viele Jahre hinweg.
Ich als Bildhauer arbeite wie eine Werft.
Da ich ebenso wie diese meist Jahre brauche bis das Stück steht, gilt es die Finanzierung zu planen und zu Wirtschaften, Arbeitsabläufe und Materialzulauf zu kalkulieren und den Verkauf bzw. Marketing zu organisieren.
In der Regel ist man auch noch Spediteur und ist einer den Regulierungen der Zollabfertigung nach Lateinamerika ebenso kundig wie dieser.
Schriftsteller wie Frank Schätzing arbeiten Jahre an einem Buch.
Ölmaler die Großformatig arbeiten sind zuweilen wahre Akrobaten
Ich denke da nur an die Deckenmalerei.
Viel gute Schauspieler sind wahre Geistesriesen.
Bitte versuchen Sie sich einmal ein ganzes Bühnenstück zu merken und entsprechend emotional und glaubhaft an den Mann/die Frau zu bringen.
Ergo: Ein Künstler ist ein handwerklich im kreativen Bereich arbeitender Manager.
Künstler haben Gesellschaften verändert und Regierungen gestürzt.
Menschen wie Leonardo da Vinci, Robespierre, die Rolling Stones oder Viviene Westwood haben Epochen entscheidend geprägt.
Nun bin Ich schon paar Jahre in diesem Gewerbe tätig und durch viele Galerien gereist, wo nicht minder seltsame Galeristen sich aufführen wie Künstler und so auch betiteln.
Ein schief an die Wand genagelter Fahrradlenker in einem älteren Bildrahmen wird da schon mal zu einem Werk hochstilisiert, welches das Leiden der Stiere darstellen soll.
So taumelte ich die ersten Jahre von Vernissage zu Medissage bis Finissage und wieder zurück.
Bekam Häppchen, vom Wurstbrot bis zur molekularen Schneckenschnitte oder Krabbenzahnfleischkonfitüre, wurde nach meiner Meinung gefragt und ob ich denn auch dem repressiven Impressionismus rein energetisch so gar nichts abgewinnen könne.
Eine Kuratorin In leuchtendem grün gekleidet, Hut und Gummistiefel ebenso dabei, erläuterte, dass sie Impulse auf sphärisch kognitiver Weise in ihr Kollektivbewusstsein einströmen lasse um so medial mit den Stücken des Meisters kommunizieren zu können.
Gut.
Bitteschön, nicht wirklich jeder ist ein Künstler.
Es ist ja auch nicht jeder Busfahrer, oder?
Nachdem ich so die ersten paar Jahre verbracht und erlebt habe, wird man für die Medien interessant.
Journalisten der unterschiedlichsten Art befragen einen nach dem Sinn und Hintergrund des Tuns und ob man denn davon leben könne (Würde man das einen Fleischer oder Mechaniker fragen?).
Mit dem überwiegenden Teil der schreibenden Zunft habe ich gute Erfahrungen gemacht.
Sie hinterfragten und recherchierten, gaben sich viel Mühe und nahmen sich viel Zeit für ihre Artikel über meine Arbeit.
Einige kamen wiederholt mit Fragen die mich forderten und nachdenken ließen.
Dem Herrgott seis gedankt besuchten mich nur selten Journalisten der anderen Art die vorgefertigt in Bild und Meinung eigentlich nur das Portrait eines "Künstlers" zu Papier bringen wollten.
Und so geschah es beispielweise, dass ich gerade von einer Vernissage kommend vollkommen entnervt einen Journalisten dieser Gattung anfauchte, dass wenn er mich noch einmal Künstler nenne, ich ihn im Grassoden des Nachbargrundstückes einvertikutieren würde.
Kopfüber.
Ein Künstler hat die Ernsthaftigkeit einer Krankenschwester und meist genauso wenig Schlaf.
Ich möchte keine der beschrieben Personen schlecht machen oder herabsetzen.
Lediglich einen anderen Standpunkt, meine Sichtweise darstellen.
Wirklich jeder hat seine Berechtigung zu Recht eigene Sichtweise der Dinge.
Mein Wunsch ist es, das dieser Blog eine Anregung ist.
Nicht mehr - nicht weniger.
Schlagwort: Prozess
Formen und Sinn in der Kampfkunst
Ganz zu Anfang meiner Erfahrungen mit der Kampfkunst war ich eifrig und bestrebt die Formen, Katas, Kumites, einfach alle der Formen und Bewegungsabläufe zu erlernen.
Ich verbrachte jede freie Stunde mit Kursen und Fortbildung.
Ich trainierte und übte viel und eifrig.
Mein Körper wurde elastisch, stark und schnell.
Meine Sinne schärften sich.
Voller Stolz bemerkte ich wie ich höher und höher treten, wie ich schneller und stärker schlagen und abwehren konnte.
Jede Technik wurde akribisch geübt bis ich zufrieden war.
Jede neue Technik, jede Kata sog ich in mit auf wie Spagetti vom Teller.
Doch nach vielen Jahren kam der Tag wo mich die Leere gleich einem Hammer traf.
Die Leere bestand aus einer einzige Frage: Wozu?
Und was steckt dahinter.
Ich begann meine Mentoren mit Fragen zu bombardieren, mich über den Ursprung der Kampfkunst zu informieren.
Und wurde fündig.
Es war als stünde ich in einem riesigem Raum dessen Tür ich durchschritten hatte.
Vor lauter Training und Üben hatte ich die Hauptsache wirklich und wahrhaftig übersehen.
Im Ernst, eine Kunst die nur aus Formen aber keinem Inhalt besteht?
Ein Buch ohne Geschichte?
Ohne es bewusst wahr zu nehmen war ich zu dem gekommen was man wohl den inneren Weg nennt.
Die Formen und Bewegungen, all das Tun und Handeln in der Kampfkunst ergaben für mich einen Sinn: Sie zu füllen.
Sie mit dem zu füllen was ich in diesem Augenblick bin.
Und mich gleichzeitig in diesem Augenblick so wie ich es gelernt hatte zu beobachten.
Ich fügte all das zusammen was ich bisher erlernt hatte und betrachtete es mir.
Die Meditation, die yogischen Übungen und ging alle Formen noch einmal durch.
Dieses mal ohne Absicht, ohne einen Gedanken ob alles perfekt läuft oder ob auch wirklich jeder Teil der Choreographie stimmt.
Im Dojo nannten wir das "Uhu auf Kopf".
Ich lief „meine Kata“.
Begreifen ist nun für mich lernen und nie ein endlicher Prozess.
Und macht Sinn.
Freude und Spaß sind sind auch durchaus gewinnbringende Zutaten.
Also, viel Spaß beim "füllen".