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Es ist schon seltsam.
Ich baue Monate oder manchmal Jahre an einem Stück und weiß eigentlich gar nicht so recht was ich da tue und welche Wirkung das Stück auf Menschen haben wird.
Und nach all der Plackerei und den intensiven Stunden, Jahreszeiten kamen und gingen, da steht es fertig im Raum.
Ein bisschen etwas göttliches beschleicht mich manchmal.
Göttlich weil ich tatsächlich etwas erschaffen habe.
Die Kurzfassung lautet: Geist steuert Materie.
Klingt und ist profan, bringt es aber auf den Punkt.
Das Kind  jedoch, was immer noch in mir steckt freut sich wie vor dem Weihnachtsfest und ist aufgeregt.
Ich stehe wie ein Schlingel der etwas ausgefressen hat beobachtend in der Ecke und warte.
Nicht viele Menschen merken das und gehen dann auf mich zu - meine Tarnung ist aufgeflogen.
Der magische Moment vorbei.
Aber das ist tatsächlich und wirklich einer der Gründe warum ich diese Stücke baue.
Für einen Augenblick.

Ganz zu Anfang meiner Erfahrungen mit der Kampfkunst war ich eifrig und bestrebt die Formen, Katas, Kumites, einfach alle der Formen und Bewegungsabläufe zu erlernen.
Formen 7Ich verbrachte  jede freie Stunde mit Kursen und Fortbildung.
Ich trainierte und übte viel und eifrig.
Mein Körper wurde elastisch, stark und schnell.
Meine Sinne schärften sich.
Voller Stolz bemerkte ich wie ich höher und höher treten, wie ich schneller und stärker schlagen und abwehren konnte.
Jede Technik wurde akribisch geübt bis ich zufrieden war.
Jede neue Technik, jede Kata sog ich in mit auf wie Spagetti vom Teller.
Doch nach vielen Jahren kam der Tag wo mich die Leere gleich einem Hammer traf.
Die Leere bestand aus einer einzige Frage: Wozu?
Und was steckt dahinter.
Formen 4Ich begann meine Mentoren mit Fragen zu bombardieren, mich über den Ursprung der Kampfkunst zu informieren.
Und wurde fündig.
Es war als stünde ich in einem riesigem Raum dessen Tür ich durchschritten hatte.
Vor lauter Training und Üben hatte ich die Hauptsache wirklich und wahrhaftig übersehen.
Im Ernst, eine Kunst die nur aus Formen aber keinem Inhalt besteht?
Ein Buch ohne Geschichte?
Ohne es bewusst wahr zu nehmen war ich zu dem gekommen was man wohl den inneren Weg nennt.
Die Formen und Bewegungen, all das Tun und Handeln in der Kampfkunst ergaben für mich einen Sinn: Sie zu füllen.
Sie mit dem zu füllen was ich in diesem Augenblick bin.
Und mich gleichzeitig in diesem Augenblick so wie ich es gelernt hatte zu beobachten.
Formen 8Ich fügte all das zusammen was ich bisher erlernt hatte und betrachtete es mir.
Die Meditation, die yogischen Übungen und ging alle Formen noch einmal durch.
Dieses mal ohne Absicht, ohne einen Gedanken ob alles perfekt läuft oder ob auch wirklich jeder Teil der Choreographie stimmt.
Im Dojo nannten wir das "Uhu auf Kopf".
Ich lief „meine Kata“.
Begreifen ist nun für mich lernen und nie ein endlicher Prozess.
Und macht Sinn.

Freude und Spaß sind sind auch durchaus gewinnbringende Zutaten.
Also, viel Spaß beim "füllen".

Formen 12

Meister und Orden 2

Warum es für mich keine Auszeichnungen, Spangen, Orden oder Gürtel gibt hat einen ganz einfachen und plausiblen Grund: Es macht für mich einfach keinen Sinn.

Es bezieht sich auf Dinge die in der Vergangenheit liegen und keine Aussage über da sind was aktuell ist.
Nehmen wir als Beispiel dafür einen Handwerksmeister.
Ist er ein Meister seines Handwerkes, weil ein Stück Papier erworben hat, worauf steht das er das ist, oder weil er meisterliche Handwerksarbeit vollführt?
Oder weil er Tag für Tag, Stunde für Stunde, all sein Können wieder auf den Prüfstand stellt?
Was ist mit dem Träger eines schwarzen Gürtels der nicht mehr übt?
Oder einen Helden, der vor geraumer Zeit  eine heldenhafte Tat beging?
Tatsächlich hat jemand in einem Augenblick seines Lebens vor anderen Menschen sein Können oder eine bestimmte vorgeschriebene Leistung dokumentiert, oder in der Vergangenheit eine von uns als besonders eingestufte Tat begangen.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Der Handwerksmeister kann zur Schlampe, der Schwarzgurtträger zum dicken Trinker und der Held zum Maulheld mutiert sein.

Für mich ist meisterliche Leistung die, die man in diesem Augenblick handelt und lebt.
Sie steht in jeder Sekunde des Lebens auf dem Prüfstand und muss immer wieder, mit jedem Atemzug in jeder Situation erarbeitet werden.
Meisterschaft zeigt sich im Handeln, im Leben.
Zu dem ist es für mich aus meinem Verständnis eben dir große Kunst immer Schüler zu bleiben  um wahrlich Meister zu sein.

Ein Kampfkunstmeister ist also tatsächlich ein sehr aufmerksamer Schüler der in jedem Moment seines Lebens das übt, lebt und praktiziert.
Der jede Übung jeden Tag aufs Neue angeht und nicht die Formen abarbeitet sondern sie immer wieder erarbeitet und weiterführt.
Im Bewusstsein dessen was er gerade tut, in aller Demut des Augenblickes .

Es ist  eben so wie in dem Film Karate Kid in dem der Lehrmeister, Mr. Myagi sagt: "Gürtel ist da um zu halten Hose fest".

Wege zur Skulptur

Es gibt viele Wege, eine Skulptur aus einem Stamm zu schlagen. Für mich jedoch nur zwei grundlegende:
wege 5Ein Weg ist, zielorientiert ein sorgsam erarbeitetes Stück aus dem Material herauszuarbeiten. Eine hohe Kunst.
Die andere Art ist am Weg orientiert und schließt das Material mit ein… eine Arbeitsweise, die kein „planbares“ oder zuvor genau festgelegtes Stück erlaubt.
Meine eigene Arbeitsweise ist die zweite, die am Weg orientierte Art.
Ich sehe und erfasse den Stamm, habe eine Idee oder Vorstellung von dem, was er werden soll.
Das heißt, es existiert zwischen mir und dem Stamm ein - sagen wir einmal - Verständnis.
Natürlich kann ich aus jedem beliebigen Material einen Uhu oder eine Vase herausschlagen.
Der Preis ist der, dass ich wahrscheinlich gegen das Material gearbeitet und andere Chancen und Möglichkeiten ausgeschlossen habe.
Natürlich wäre es wirtschaftlicher und effektiver, fortlaufend zu arbeiten.
Wege 2Aber: Es nähme mir die Möglichkeit, den Stamm in seinem Trocknungsprozess zu begleiten und die „Arbeit“ des Stammes zu erkennen.
Ich nenne es: ihm die "Reifezeit" nehmen.
Deshalb arbeite ich mit „Grünholz“, also frisch geschlagenen Stämmen.
Gehen wir einmal davon aus, dass Bäume wie Menschen unterschiedlicher Natur sind, dann gilt es, sie wahrzunehmen und zu unterscheiden. Zwischen einem Dachdecker, einem Kaplan und einem Komponisten gibt es schon signifikante Unterschiede…
Und wenn ich mir nicht die gleiche Liebe, Hingabe und Zeit nehme wie bei meinen eigenen Kindern - wie soll ich es dann bewerkstelligen, eine Skulptur mit dem Material zu erarbeiten?
Das wäre wie: meinem einjährigen Sohn in den Orchestergraben zu schicken, um Oboe zu spielen.
Meine Tochter, noch in Windeln, ins Cockpit eines Düsenjets zu setzen.
wege 3Mich an den Rand eines Getreidefeldes zu stellen und den Weizen anzufeuern.
Schlussendlich habe ich meinen Weg gefunden:
Ich nehme den Baum wahr. Ich erkenne ihn.
Ich sehe, was in ihm steckt.
Wir gehen den Weg gemeinsam.
Ich zolle ihm die Achtung und den Respekt, die ihm als Lebewesen und Teil meiner Welt zustehen.
Ich glaube, es ist die große Kunst der Achtsamkeit, die aus einem Stamm eine wunderbare Skulptur macht.
Schlussendlich ist es aber nur mein Weg, nicht der Weg.
Es gibt nämlich noch einen dritten, sehr kindlichen Weg: einfach loslegen und kucken, was passiert.
Und das ist auch kein schlechter Weg. Das weiß ich.

wege 4

              P.S.: Humor kann auch nicht schaden.